Interview mit Ulrich Sander: Gründer der Braumanufaktur Sander in Worms

Die Brauerei Sander ist eine von drei Brauereien in Worms. Bitte erzählen Sie uns etwas über die Entstehung der Brauerei.

Ulrich Sander: Uups. Ich kenne nur zwei. An der Rheinuferpromenade wird seit ca. 15 Jahren eine Gastronomie mit Gasthausbrauerei betrieben, und ich braue seit ca. 10 Monaten in Worms-Weinsheim.

Was unterscheidet die Brauerei Sander von anderen und was macht sie so besonders?

Ulrich Sander: Ich setze bei meinen Rezepturen und Technologien auf Charakter. Natürlich weiß man auch als interessierter Handwerks-Braumeister um die neuesten brauwissenschaftlichen Erkenntnisse, widmet sich allerdings mehr den qualitätsfördernden als den kostensparenden Aspekten und Ergebnissen der Forschung. Das ist ein fundamentaler Unterschied zur Industrie.

Mein Anspruch ist es den Menschen zu zeigen, dass Bier eben nicht nur das ist, was man von den deutschen Großbrauereien vorgesetzt bekommt, sondern dass Bier sehr facetten- und abwechslungsreich sein kann.

Das Schöne daran ist dann, wenn man wieder einen vermeintlichen „Nicht-Biertrinker“ mit charakterstarken Bieren für das Lager der „Biertrinker“- oder besser „Biergeniesser“ -zurückgewinnen kann.

In der E-Mail Korrespondenz betonten Sie, dass Sie jederzeit bereit sind die Craft Beer Bewegung in Deutschland zu unterstützen. Sehen Sie in diesem Trend eine große Zukunft? Weshalb sind Sie von der Craft Beer Bewegung überzeugt?

Ulrich Sander: Als ich vor ca. 5 Jahren die ersten konkreten Gedanken für eine eigene kleine Braumanufaktur fasste, war das Wort „Craftbeer“ in Deutschland noch kaum zu hören. Irgendwie wollte ich schon immer mein eigener Chef sein und war in meinem gut bezahlten Job als Konstruktionsleiter für Brauanlagen nicht mehr wirklich glücklich. Also habe ich mir das alles Mal durchgerechnet, den ganzen Mut zusammengerafft und am Tag des Bieres(Aberglaube gehört auch ein bisschen dazu) dem 23.04.2012 meine eigene Brauerei eröffnet.

Dass dies nun mehr und mehr in Deutschland um sich greift, da viele Bierfreunde im Ausland sehen durften was Bier alles verkörpern kann, und diese Vielfalt auch zuhause haben möchten und dieser Trend nach dem US-amerikanischen Vorreiter „Craftbeer“ genannt wird, passt zeitlich natürlich perfekt für die Entwicklung meiner Braumanufaktur.

In vielen Lebensbereichen ist meiner Ansicht nach ein Trend „back to the roots“, gegen die Globalisierung, gegen immer größer werdende Multikonzerne und Global Player zu erkennen. Transparenz und Nachhaltigkeit, weg von der Masse, hin zum Individualprodukt, das wollen weite Bevölkerungsschichten in Zukunft immer mehr.

Und genau da muss man beim Thema Craftbeer aufpassen und differenzieren. Vor 5 Jahren haben die Großbrauereien den Trend noch arrogant belächelt, mittlerweile hat kaum einer der Hektoliter-Giganten noch das Rückgrat dieser Arroganz treu zu bleiben, sondern sieht Marktpotenziale und hängt sein Fähnchen in den Wind. Mit Craftbeer hat das allerdings ziemlich wenig zu tun.

Was die großen noch nicht verstanden haben, ist, dass alle, groß wie klein, von einer Imageaufwertung des Bieres profitieren. Die jungen Wilden brauen und präsentieren Ihr Bierhighlights mit einer Wertschätzung die unterm Strich auch auf Bier im Allgemeinen abfärbt.

Craft bedeutet für mich:

  • Inhabergeführte Brauerei ohne Outsourcing diverser kostspieliger und unangenehmer Produktionsschritte
  • Charakterbiere jenseits des Massengeschmacks
  • Sortimentsbrauerei, d.h. mehr als 1,2 oder 3 Standardsorten. Wer nur 3 Sorten im Angebot hat, bringt nur zum Ausdruck dass seine Kreativität damit schon erschöpft scheint.
  • Experimentierfreudigkeit, d.h. ständig wechselnde neue Rezepturen und Spielarten (neben einem ganzjährig gebrautem Programm natürlich), in den gesetzlichen Grenzen von ausgebildetem, erfahrenem Fachpersonal umgesetzt
  • Nachhaltige, ganzheitliche Produktion bei der die Qualität und Individualität im Vordergrund steht und nicht die beste Marge für die Investoren
  • Transparente Produktion

Daneben gibt es natürlich noch die Homebrewer. Da hier die Biere ja nicht in Verkehr gebracht werden und nur für den Eigenbedarf geraut werden sind hier der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Gerne werden Experimente jenseits des Reinheitsgebots gemacht. Da habe ich kein Problem mit, allerdings sehe ich auch die Notwendigkeit nicht. Das Reinheitsgebot bietet so viel Spielraum für Biervielfalt, den schöpft so schnell keiner aus.

Die Hausbrauer haben aber nochmal eine ganz andere Identifizierung mit gutem Bier als die reinen Biergeniesser, und durch Ihr Tun und Ihre Biere, die meist in Familie und Freundeskreis genossen werden, tragen sie nicht unwesentlich zum Erfolg des „Projekts Faszination Bier“ bei.

Schon gewusst: Der wohl berühmteste Hausbrauer ist Barak Obama, der ab und an im Weißen Haus mal sein Honey Ale einmaischt.

Sehen Sie Ihre Brauerei für den expandierenden Craft Beer Trend in Deutschland gut gerüstet?

Ulrich Sander: Mit dem Umzug aus dem Kelterhaus des elterlichen Weinguts in eine alte Bäckerei letztes Jahr haben wir uns super Möglichkeiten geschaffen, handwerklich und professionell zu arbeiten. Platz haben wir erst mal genug.

Wie bewerkstelligen es vergleichsweise kleinere, unabhängige Brauereien, wie die Sander Brauerei, sich gegenüber großen Bierkonzerne zu behaupten?

Ulrich Sander: Würden Sie ein namhaftes hoch prämiertes Weingut fragen, wie es sich gegen die Discounter Weine ggf. sogar im Tetra-Pak behauptet? Wohl kaum. Auch beim Craftbier stellt sich die Frage so nicht. Es wird immer einen Markt für geschmacksbefreite Massenbiere geben. Es gibt ausreichend Konsumenten die dem Lebensmittel Bier nicht genug Wertschätzung entgegenbringen, so dass sie niemals bereit wären für ein kürzer haltbares Bier mit “ komischem“ Eigengeschmack mehr Geld auszugeben als für Ihr im Ausland unter deutscher Firmierung gebrautes 08/15 Pils in Plastikflaschen. Aber das ist auch nicht unsere Zielgruppe.

Bier ist nicht gleich Bier. Nicht zuletzt daher hat sich ja die Vokabel „Craftbeer“ in Deutschland so durchgesetzt, da es keine entsprechende, bereits vorhandene Vokabel für diese mit verändertem Anspruch gebrauten Biere gab.

Ihr Unternehmen setzt auf qualitativ hochwertige Produkte zur Herstellung des Bieres. Wie wählen Sie Ihre Partner aus? Was sind die ausschlaggebenden Kriterien?

Ulrich Sander: Für mich ist es obligat, dass wir heutzutage das Genussmittel Bier nach Naturland-Richtlinie brauen. Ich sehe es nicht als USP, sondern vielmehr als selbstverständlich. D.h. wir setzen ausschließlich Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau ein. D.h. 100% und nicht wie bei der EG-Öko-Verordnung, deren Logo mittlerweile zahlreiche Discounter-Label schmückt, nur 95%.

Welche Produkte führen Sie in Ihrem aktuellen Sortiment?

Ulrich Sander: Das sind Einige. In dem Standard-Sortiment führe ich mittlerweile neun ständig erhältliche Biere. Die meisten davon auch als Fassbier.

Neben einem sauber gehopften Pils mit ordentlich Bittereinheiten und einer schön ausgeprägten Hopfenblume sind das verschiedene Ale´s, holzfassgereifte Porter, hopfengestopfte Lager und auch klassisch, deutsche Bierstile wie die aus meiner neuen Bock-Reihe.

Jedoch sind auch die klassischen Sorten stets modern interpretiert. So fülle ich z.B. demnächst unseren massiv gehopften Pils-Bock auf die Flasche. Davon werden es nur ca. 1000 Stück. Dieser Bock hat eine unheimlich runde, intensive fruchtige Nase durch Unmengen vom Aromahopfen Spalter Select und Hallertauer Tradition.

Welches dieser Produkte empfinden Sie selbst als die interessanteste/spannendste Biersorte? Wie entstand die Idee zur Sorte?

Ulrich Sander: Unser Amber Lager, das Rebel (läuft unter der Marke „Protaste“), ein intensiv gestopftes untergäriges Vollbier ist jetzt insbesondere für die heißen Tagen perfekt. Es hat die Aromatik und Fruchtigkeit eines komplexen West Coast IPA´s bei der Leichtigkeit eines Bayrisch Hell.

Viel Spaß habe ich z.Zt. auch mit den Böcken. Das sind runde, ausgewogene untergärige Erfrischer. Hier kann man unheimlich viel spielen.

Welche Biersorte ist unter den Konsumenten die Beliebteste?

Ulrich Sander: Mein untergäriges Pils mit > 40 Bittereinheiten holt die Konsumenten am besten vom Mainstream ab, ohne jedoch selbst mainstream zu sein.

Seit der Erfindung der Kältemaschine durch Karl Linde hat sich der deutsche Biergeschmack stark in Richtung untergäriger Lagerbiere ausgeprägt, wo hingegen die Engländer ihrem mittelalterlichen ALE bis heute treu geblieben sind. Ich denke dass man daher die Craftbeer Neueinsteiger in deutschen Landen erst auch mal am besten mit einem typischen Pils an neue Geschmackserlebnisse heranführen kann.

Viele Craftbrauer trauen sich nicht an ein Pils heran, da dies für viele der Inbegriff von Industriebier ist. Mein Ansatz ist ein anderer: Dass, was man heute als Pils im Supermarkt von der Industrie verkauft bekommt, hat mit der ursprünglichen Definition von Pils nicht viel gemein. Und dabei ist ein gutes, rundes Pils eigentlich die Königsklasse und deutlich schwerer hinzubekommen als ein obergäriges Ale.

Welche Produkte sind für die Zukunft geplant?

Ulrich Sander: Derzeit habe ich noch ein „Imperial Smoky Chocolate Stout“ für die Limited Reihe im Lagerkeller. 8 vol%, tiefschwarz, kräftig, schokoladige Malzbittere mit einem Hauch von Raucharoma. Das haut dich um. Vielleicht nicht der beste Durstlöscher im Hochsommer, aber dafür auch haltbar bis weit in den Winter hinein.

Und nicht zu vergessen der als Collab-brew geplante Sud zusammen mit dem Alzeyer Volkerbräu: Ein Dinkel-Bock

Das Barriquefass-gereifte Imperial Porter mit 8,5 vol% wird auch in den nächsten Wochen seine Konsumreife erlangen und auf die Flasche gefüllt.

Es bleibt spannend ….

Am Vatertag bot die Sander Brauerei ein Event mit Livemusik. Auch Bierverkostungen und Brauereiführungen sind möglich. Welche Events bietet die Sander Brauerei noch an?

Ulrich Sander: Wenn wir unseren Brauerei-Shop geöffnet haben ist auch unser Ausschank geöffnet. Dann gibt es alle Sorten „on Tap“(ausser den Limited, die nur aus der Flasche).

Unseren Bier- und Hopfengarten wollen wir noch etwas ausweiten. Für den Sommer ist noch ein Brauereifest geplant, und dann natürlich das große Brauereifest Anfang Oktober.

Im Sommer würde ich gerne noch ein „Beer and Beef“ Grillevent, und das ein oder andere Konzert lokaler Band organisieren. Natürlich immer das passende Bier dazu.

Nicht zu vergessen unsere außer-Haus Events. Demnächst werde ich in und mit der Mainzer Bierbotschaft einen Tap-Take-Over veranstalten. Dann sind wir unter anderem im August in Hamburg bei den Craft-Beer-Days in den Schanzenhöfen und im Herbst auf der Brew Berlin. Daneben haben sind wir noch bei vielen kleinen Veranstaltungen in der Region Worms dabei.

Herzlichen Dank Herr Sander für dieses interessante und erfrischende Interview und die damit verbundenen Einblicke in ihre Brauerei.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrer Brauerei, und freuen uns auf das nächste Bier aus der Brauerei Sander!